Betty-Hirsch-Schulzentrum, Stuttgart
Inklusiver Schulbau am Kräherwald
Die Nikolauspflege am Stuttgarter Kräherwald ist seit über hundert Jahren ein Ort der Bildung und Inklusion für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Aus der 1856 von Kronprinzessin Olga von Württemberg gegründeten Einrichtung für blinde Kinder hat sich das Betty-Hirsch-Schulzentrum zu einem modernen Bildungsort entwickelt, an dem Kinder und Jugendliche mit Blindheit, Sehbehinderung, Mehrfachbehinderung und Taubblindheit gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigung lernen. Teilhabe wird hier als gelebtes Menschenrecht verstanden: Inklusion bedeutet, von Anfang an in die Mitte der Gesellschaft zu gehören.
Die gestiegenen Anforderungen an Barrierefreiheit, pädagogische Flexibilität und räumliche Qualität machten eine grundlegende Erneuerung erforderlich. Der Neubau bietet Platz für rund 230 Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und zwanzig Jahren. Dabei geht es um eine Architektur, die selbstständige Orientierung, individuelle Lernwege und gemeinsames Lernen unterstützt. Flexible Raumstrukturen, vielfältig nutzbare Lernorte und intelligente Funktionszusammenhänge schaffen die Grundlage für zukunftsfähige Bildung.
Klare Raumstrukturen, rechtwinklige Formen, der Verzicht auf freistehende Stützen oder Versprünge sowie differenziert steuerbare Lichtverhältnisse ermöglichen allen Kindern, sich sicher und selbstständig zu bewegen. Taktil-visuelle Leitsysteme und vollständige Barrierefreiheit gewährleisten, dass auch Rollstuhlfahrende oder Kinder mit Hilfsmitteln uneingeschränkt teilnehmen können. Die Integration des Neubaus in das historische und topografisch anspruchsvolle Gelände schafft natürliche Belichtung, kurze Wege und einen barrierefreien Innen- und Außenraum. Eine Sporthalle im Hang und ein zentraler Innenhof erweitern die Nutzflächen und schaffen vielseitige Bewegungs- und Pausenbereiche.
Die Lernräume sind klar gegliedert, flexibel nutzbar und visuell reizarm gestaltet, um Konzentration und Lernmotivation zu fördern. Differenzierungsräume, großzügige Stauraumflächen und digitale Anschlüsse unterstützen individuelle Bedürfnisse und ermöglichen alltagspraktisches Lernen. Das Ergebnis ist ein Schulhaus, das modernes Lernen, Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe auf Augenhöhe verbindet und die Inklusion in der Architektur konkret erfahrbar macht.
Bauherr: Stiftung Nikolauspflege
Planung und Realisierung: 2017-25
BGF und BRI: 9.100 m², 37.000 m³
Wettbewerb 2016, 1. Rang
Fotos: Roland Halbe, Stuttgart